Mittelohrentzündung: Können Antibiotika bei Babys und Kleinkindern die Beschwerden lindern?
Eine Mittelohrentzündung klingt normalerweise innerhalb weniger Tage ab - auch ohne Behandlung. Wenn bei Kindern unter zwei Jahren beide Ohren entzündet sind, können Antibiotika die Heilung jedoch beschleunigen. Sie können auch helfen, wenn die entzündeten Ohren Flüssigkeit absondern.
Mittelohrentzündungen können Schmerzen und Fieber verursachen. Dies kann mit Schmerzmitteln wie Paracetamol oder Ibuprofen behandelt werden. Ob Antibiotika bei einer Mittelohrentzündung sinnvoll sind, hängt davon ab, welche zusätzlichen Beschwerden ein Kind hat. Antibiotika helfen nur gegen bakterielle Infektionen. Bei Kindern mit bestimmten Symptomen sind sie hilfreich, für alle anderen haben Antibiotika kaum Vorteile.
Forschung zu Antibiotika bei akuter Mittelohrentzündung
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des internationalen Forschungsnetzwerks Cochrane Collaboration haben nach Studien gesucht, die die Vor- und Nachteile einer Antibiotika-Behandlung bei Säuglingen und Kleinkindern mit akuter Mittelohrentzündung geprüft haben. Sie fanden 13 verlässliche Studien, an denen insgesamt etwa 3400 Kinder teilnahmen. In diesen Studien wurden nach dem Zufallsprinzip jeweils zwei Gruppen gebildet und miteinander verglichen: In einer Gruppe nahmen die Kinder Antibiotika, in der anderen nicht.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten wissen, wie sich Antibiotika nach 1 bis 7 Tagen Behandlung auf Fieber und Schmerzen auswirken. Sie untersuchten auch, ob bei den Kindern, die Antibiotika erhielten, seltener Komplikationen auftraten - zum Beispiel eine Beeinträchtigung des Hörvermögens, ein Übergreifen der Entzündung auf das andere Ohr oder eine Ausbreitung auf den Knochen hinter dem Ohr. Außerdem fragten sie nach Nebenwirkungen.
Antibiotika sind häufig unwirksam
Die Wissenschaftlergruppe stellte fest, dass Antibiotika die Genesung häufig nicht beschleunigen konnten. Die Ohrenschmerzen vieler Kinder klangen mit Antibiotika innerhalb von 24 Stunden nicht schneller ab als ohne diese Medikamente. Bei einer etwas längeren Behandlung konnten Antibiotika die Schmerzen nur wenig beeinflussen. In Zahlen: Nach 2 bis 3 Tagen hatten
- ohne Antibiotika etwa 22 von 100 Kindern noch Schmerzen,
- mit Antibiotika etwa 15 von 100 Kindern noch Schmerzen.
Antibiotika können auch das Risiko verringern, dass das Trommelfell reißt:
- Ohne Antibiotika riss das Trommelfell bei etwa 3 von 100 Kindern,
- mit Antibiotika riss es bei etwa 1 von 100 Kindern.
Allerdings ist ein Riss im Trommelfell oft nichts Ernstes. Solche Risse sind meist klein und heilen innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen von selbst ab. Problematischer ist es, wenn das Trommelfell immer wieder einreißt oder ein größerer Riss entsteht.
Antibiotika helfen bestimmten Kindern
Antibiotika können bestimmten Kindern eher helfen als anderen: Dazu gehören Kinder unter zwei Jahren mit einer Entzündung beider Ohren und Kinder aller Altersgruppen mit eitrigem Ausfluss aus dem Ohr. Beide Symptome weisen auf bakterielle Infektionen hin, die sich mit Antibiotika gut behandeln lassen.
Von den unter zweijährigen Kindern mit beidseitiger akuter Mittelohrentzündung hatten nach 3 bis 7 Tagen
- ohne Antibiotika noch 55 von 100 Kindern Schmerzen oder Fieber,
- mit Antibiotika nur 30 von 100.
Sie halfen auch Kindern mit eitrigem Ausfluss:
- Ohne Antibiotika hatten noch 60 von 100 Kindern Fieber oder Schmerzen,
- mit Antibiotika dagegen nur 24 von 100.
Nebenwirkungen von Antibiotika
Bei der Frage nach dem Nutzen von Antibiotika ist es wichtig, immer auch die möglichen Nebenwirkungen zu betrachten. Antibiotika können Übelkeit, Durchfall und Hautausschlag hervorrufen. Bei ungefähr 5 von 100 Kindern kam es zu einer dieser Nebenwirkungen. Außerdem trägt die zu häufige Verwendung von Antibiotika dazu bei, dass sich Keime entwickeln und ausbreiten, die nicht mehr auf Antibiotika ansprechen (resistente Bakterien).
Abwartende Behandlung ist bei den meisten Kindern sinnvoll
Bei den meisten Kindern ist es am besten, 2 bis 3 Tage abzuwarten, ob sich die Beschwerden von selbst bessern und dann zu entscheiden, ob Antibiotika eingesetzt werden. Dies hilft, Nebenwirkungen zu vermeiden. Zudem können Schmerzmittel die Beschwerden rascher lindern als Antibiotika. Eine ärztliche Nachkontrolle ist bei dieser Methode des "Beobachtens und Abwartens" sinnvoll.