Medienkompetenz ist eine Gesundheitskompetenz
Interview aus Mecklenburg-Vorpommern
Anfang Mai konnte nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause die fünfte Bundesjugendkonferenz Medien (BJKM) in Rostock stattfinden. Mehr als 200 Jugendliche und rund 50 Betreuerinnen und Betreuer reisten aus der ganzen Republik zur Konferenz an.
Im Vorfeld der BJKM haben wir gemeinsam mit dem Verein Prävention 2.0 e. V. eine Umfrage unter den Medienscouts durchgeführt. Im Interview stellt Manon Austenat-Wied, Leiterin der TK-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern, einige Ergebnisse vor und unterstreicht die zentrale Bedeutung von Medienkompetenz für Heranwachsende.
TK: Frau Austenat-Wied, Sie haben bereits mehrfach die zunehmende Bedeutung von Medienkompetenz unterstrichen. Wer ist in der Verantwortung diese zu vermitteln?
Manon Austenat-Wied: Ich möchte gleich zu Beginn betonen, dass fundierte Medienkompetenz die Grundlage dafür ist, sich im digitalen Raum verantwortungsvoll zu bewegen. Die Umfrage, welche wir im Vorfeld zusammen mit dem Präventionsverein 2.0 e. V. mit dem digitalen Interaktionstool Tweedback durchgeführt haben, verdeutlicht den Bedarf an Medienkompetenz und die Verantwortung der Eltern. Wie auch bei der Umfrage im Jahr 2019, gaben 83 Prozent der Medienscouts an, dass Eltern weiterhin mehr Medienkompetenz benötigen. Eine signifikante Steigerung gab es allerdings bei der Frage nach der Verantwortung für gesunden Medienkonsum. Acht von zehn Scouts sehen die zentrale Verantwortung bei den Eltern. Im Jahr 2019 waren es sieben von zehn. Dem gegenüber sank die Zahl bei der Verantwortung von Lehrinnen und Lehrern von 61 auf 55 Prozent. Die Medienscouts selbst sehen sich weiterhin als maßgebliche Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für mehr Medienkompetenz. 77 Prozent fühlen sich für die Vermittlung entsprechender Inhalte verantwortlich.
Vor dem Hintergrund dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, sind Medienscouts Bindeglied zwischen Eltern, Lehrerschaft, Schülerinnen und Schülern. Was mich dabei am meisten begeistert, ist das Engagement der Jugendlichen hier bei der BJKM Jahr für Jahr erleben zu dürfen. Sie tauschen Erfahrungen aus, erarbeiten Lösungen und vernetzen sich länderübergreifend. Mit ihrem Wissen und ihren Kompetenzen können sie Jugendliche in verschiedenen Problemlagen unterstützen und die Medienkompetenz an ihren Schulen steigern.
Darüber hinaus sollte Digitale Gesundheitskompetenz zukünftig ein fester Bestandteil der Präventionsarbeit in allen Lebensbereichen sein.
Tweedback ist ein digitales Interaktionstool, welches echtes Feedback ermöglicht. Das Rostocker Start Up und ehemalige Forschungsprojekt der Universität Rostock hat die Umfrage in Zusammenarbeit mit dem Verein Prävention 2.0 e. V. und der TK durchgeführt und unterstützt die Konferenz mit Live-Umfragen.
TK: Wie hat sich die Mediennutzung der Jugendlichen insgesamt entwickelt? Gibt es Tendenzen zu ungesundem Medienkonsum?
Austenat-Wied: Ja, laut Umfrage hat sich der Trend während der vergangenen 2 Jahre fortgesetzt. Im Vergleich zur Befragung bei der BJKM 2019 hat die Mediennutzung weiter zugenommen: 36 Prozent der Jugendlichen waren drei bis fünf Stunden täglich online (plus drei Prozentpunkte zu 2019); 25,9 Prozent waren mehr als fünf Stunden täglich online, dies entspricht einem Anstieg von 10,4 Prozentpunkten zum Jahr 2019. Dabei sind Chatten bzw. die Nutzung von Messenger-Diensten (92,2 Prozent), Musik hören (81,9 Prozent), soziale Netzwerke (77,1 Prozent) und die Recherche für Hausaufgaben (75,3 Prozent) die Hauptaktivitäten. Rund 88 Prozent der Medienscouts hatten mit 12 Jahren bereits ein eigenes Handy.
Darüber hinaus haben knapp acht von zehn der befragten Jugendlichen bereits Erfahrungen mit ungesundem Medienkonsum gemacht. Von ihnen haben es 46 Prozent (2019: 35 Prozent) selbst schon gelegentlich übertrieben und 33 Prozent (2019: 39,6 Prozent) haben dies im Freundeskreis beobachtet. Die häufigsten Auswirkungen des ungesunden Medienkonsums waren Kopfschmerzen (70 Prozent), Schlafprobleme (56 Prozent) und Schmerzen im Rücken-, Schulter- oder Nackenbereich (43 Prozent).
In der Umfrage hat knapp jeder zweite jugendliche Medienprofi des Weiteren angegeben, dass wir, die Krankenkassen, Informationsangebote zum gesunden Medienkonsum online zur Verfügung stellen sollen.
TK: Welche Angebote und Programme gibt es für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrerschaft?
Austenat-Wied: Wir haben die Relevanz des Themas Medienkompetenz bereits vor Jahren erkannt und frühzeitig mit der Entwicklung entsprechender Angebote begonnen. Mittlerweile können wir ein breites Portfolio an Medienkompetenz-Tools für verschiedene Altersgruppen anbieten.
So stehen Grundschullehrerinnen und -Lehrern mit dem TK MedienUniversum, einer digitalen Plattform, zahlreiche Tools zur Verfügung, um interaktive Lerninhalte zu erstellen. Darüber hinaus finden Lehrkräfte im Portal Gemeinsam Klasse sein vielfältige Inhalte für die Gestaltung von Thementagen und -Wochen zur Mobbingprävention in der Schule ab der fünften Klasse. Die Kooperation mit der Rechtsanwältin Gesa Stückmann von Law4School hat das übergreifende Ziel, bundesweit per Webinaren Schülerinnen und Schüler, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer für Risiken und Gefahren im digitalen Raum zu sensibilisieren. Neu in unserem Angebotsportfolio befindet sich Krisenchat, das jungen Menschen in Not ermöglicht, sich niedrigschwellig, professionell und rund um die Uhr in psychosozialen Fragestellungen per Chat helfen zu lassen.
Wir verfolgen einen umfassenden Präventionsansatz und engagieren uns mit unseren Partnerinnen und Partnern aktiv beim Aufbau von mehr Medienkompetenz. Kinder, Jugendliche, Eltern sowie Lehrinnen und Lehrer können diese Angebote nutzen und dadurch ihre digitale Gesundheitskompetenz ausbauen.