Klimawandel und Psyche: "Fünf Fragen an ..." Roman Rudyk
Interview aus Niedersachsen
Der Klimawandel ist allgegenwärtig und kann auch für unsere Psyche eine Belastung darstellen. Roman Rudyk, Präsident der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen, spricht im Interview über die Bedeutung des Klimawandels für unsere Gesundheit, eine kürzlich verabschiedete Resolution der niedersächsischen Psychotherapeutenkammer und darüber, wie eine psychische Belastung frühzeitig erkannt bzw. vermieden werden kann.
TK: Herr Rudyk, die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen hat im November 2023 eine Resolution zum Thema Klimawandel und Psyche verabschiedet. Was war die Motivation dazu?
Roman Rudyk: Wir Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sehen über unsere allgemeingesellschaftliche Verantwortung hinaus unsere spezifische Aufgabe als Profession darin, die zunehmenden negativen Auswirkungen der Klimakrise auf die psychische Gesundheit zu benennen und dabei mitzuwirken, sie möglichst klein zu halten. Wir haben hierzu mittlerweile eine Reihe von Forschungsergebnissen, die sehr vielschichtige und gravierende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit belegen.
TK: Wie wirkt sich die Klimakrise auf die Psyche der Menschen aus?
Rudyk: Bedrohliche gesellschaftliche Geschehnisse wirken sich grundsätzlich potenziell destabilisierend auf unsere Psyche aus. Wir sehen auch bei der Pandemie, den Kriegen und den zunehmenden Spaltungsprozessen in unserer Gesellschaft, dass sich -vereinfacht dargestellt- psychische Belastungen so addieren können, wodurch es zu zunehmenden Herausforderungen in der zwischenmenschlichen Begegnung und auch zu psychischen Erkrankungen kommt. Das wiederum kann die genannten Spaltungsprozesse verstärken.
Die Klimakrise bedroht alle Menschen, wenn auch unterschiedlich. Durchweg sind hier benachteiligte Gruppen stärker betroffen. Die Menschen im globalen Süden sind stärker betroffen, als die im globalen Norden. Die Schwächeren in einer Gesellschaft wie die Erkrankten, die Älteren oder die Kinder und Jugendlichen tragen ein deutlich höheres Risiko, durch die Klimakrise auch psychisch zu erkranken. Menschen, die bereits an einer solchen psychischen Erkrankung leiden, erfahren sehr häufig eine Verschlechterung ihrer Symptomatik.
Dabei stellt die zunehmende Hitze eine besondere Bedrohung dar und führt besonders häufig zu einer Entstehung oder Verschlechterung psychischer Erkrankungen bis hin zu steigenden Suizidraten.
Die Schwächeren in einer Gesellschaft wie die Erkrankten, die Älteren oder die Kinder und Jugendlichen tragen ein deutlich höheres Risiko, durch die Klimakrise auch psychisch zu erkranken.
TK: Welche psychischen Erkrankungen können sich als Folge entwickeln?
Rudyk: Eine simple Zuordnung von bestimmten psychischen Erkrankungen als Folge der Klimakrise ist nicht möglich. Für nahezu alle psychischen Erkrankungen haben sich Zunahmen dort gezeigt, wo die Auswirkungen des Klimawandels besonders drastisch hervortreten.
Benannt muss auch werden, dass wir selbstverständlich den Menschen, die ganz unmittelbar von Wetterkatastrophen betroffen sind, wie dies z.B. im Ahrtal der Fall war, die psychotherapeutische Behandlung zukommen lassen, die sie benötigen.
TK: Wie können eventuell auftretende Belastungen aus Ihrer Sicht frühzeitig erkannt oder vermieden werden?
Rudyk: Grundsätzlich gilt es, wie beim Klimawandel selbst, unsere Erkenntnisse zu Mental Health und Klima zu erweitern. Dazu gehört auch, die eigenen, unmittelbaren Erfahrungen in Bezug auf sich selbst und den Menschen im eigenen Umfeld ernst zu nehmen und möglichst gut zu verstehen. Wir Menschen reagieren auf die oben genannten Bedrohungen häufig so, dass wir uns selbst vor unangenehmen Gefühlen zu schützen suchen. So blenden wir Dinge, von denen wir eigentlich wissen, dass sie zutreffen, aus oder interpretieren sie um. Das erschwert es uns, realen Bedrohungen und Herausforderungen effektiv zu begegnen.
Auf Ihre Frage hin bedeutet dies, dass das Bemühen darum, sich mit den Gedanken und Gefühlen der Realität zu stellen zwar zunächst dazu führt, dass ich Verunsicherungen, Ängsten und Betroffenheit durchlebe. So kann ich mir aber den klaren Blick auf die Herausforderungen besser bewahren und daraus leichter ins Handeln und ins Vernetzen kommen. Es wird immer ein gemeinschaftliches Handeln und damit ein Eingehen von Kontakten und Einlassen auf andere Menschen erforderlich sein. Das hilft, sich der Bedrohung der Klimakrise nicht nur ohnmächtig gegenüber zu erleben und hilft dann hoffentlich auch, die Erderwärmung und ihre Folgen nicht zu gravierend werden zu lassen. Kurzum: Das Teilen der Last hilft, die Last im Erträglichen zu halten und handlungsfähig wie psychisch gesund zu bleiben. Es ist allerdings keine Garantie dafür. Das muss hier auch klar gesagt werden. Die gibt es nicht.
Das Teilen der Last hilft, die Last im Erträglichen zu halten und handlungsfähig wie psychisch gesund zu bleiben. Es ist allerdings keine Garantie dafür.
TK: Zum Schluss eine kurze persönliche Frage: Sind Sie Typ Berge oder Typ Meer?
Rudyk: Tatsächlich beides. Ich liebe die Berge und das Meer. Beides übt eine große Faszination auf mich aus. In den Bergen wie am Meer ist durch die Schönheit und die Gewalt der Natur die Begrenztheit von uns Menschen für mich sehr berührend und heilsam spürbar. Es geht nur mit der Natur und nicht gegen sie.
Zur Person
Roman Rudyk ist in Mittelfranken geboren und aufgewachsen. Das Psychologiestudium absolvierte er in Trier, Osnabrück und Bremen mit darauffolgender Psychotherapeutischen Ausbildung am Psychoanalytischen Institut Bremen. Seit 1995 ist Rudyk niedergelassener Psychologischer Psychotherapeut für Jugendliche und Erwachsene in Ritterhude und seit 2015 Präsident der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen. Er ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und drei Enkelkinder.