Schön, dass immer die anderen schuld sind!
Artikel aus Berlin/Brandenburg
Süßes statt Saures: Besonders kreativ wird der Mensch, wenn es darum geht, Verantwortung für Fehlentwicklungen anderen zuzuschieben - unsere Glosse.
Wie könnte das Leben doch schön sein - wenn es die Vernunft und die blöden Prinzipien nicht gäbe, die uns Tag für Tag die schönsten Dinge vermiesen! Zucker und Fett sind ungesund, Fernreisen schädigen das Klima. Faule Couch-Abende vor dem Fernseher sind schlecht für die Figur und für den Intellekt auch nicht unbedingt förderlich. Social Media spalten die Gesellschaft, obwohl sie doch ganz ursprünglich mal dafür erfunden wurden, uns über alle Länder und Meere hinweg zu vernetzen. Ja, ja, wissen wir alles. Macht halt keinen Spaß.
Doch der Mensch ist zum Glück kreativ und hat längst einen wirkungsvollen Mechanismus entdeckt, das eigene schlechte Gewissen ganz tief zu vergraben: Wir schieben die Verantwortung einfach anderen zu!
Und schwups - schon ist es kein Problem mehr, auf die böse Lebensmittelindustrie zu schimpfen, ein Werbeverbot für Süßes nahe Schulen und Kitas zu begrüßen und trotzdem jeden Nachmittag mit dem Kleinkind einen Abstecher zur Eisbude zu machen.
Säfte gegen jedes Wehwehchen
Es ist ein Leichtes, den Pharmafirmen Habgier zu unterstellen und gleichzeitig den eigenen Badezimmerschrank mit Säften und Kügelchen gegen jedes Wehwehchen zu füllen. Unsere Notaufnahmen sind natürlich nur deshalb überlastet, weil alle anderen sich und ihre Leiden zu wichtig nehmen, während man selbst der einzige echte Notfall ist.
Das Sterben der kleinen Läden in der Nachbarschaft ist bedauerlich, aber allein eine Folge von Corona-Politik und Wuchermieten - und nicht etwa der Tatsache geschuldet, dass man selbst inzwischen alles im Internet bestellt.
Den Sommerurlaub müssen wir nur deshalb auf Mallorca verbringen, weil unsere Hoteliers Ferien in Deutschland schließlich unbezahlbar machen. Außerdem könnte man erst mal damit anfangen, Geschäftsreisen per Flugzeug verbieten.
Ab aufs Land - mit den anderen
Auf Telegram und Facebook sind wir quasi gezwungenermaßen und gegen unseren Willen unterwegs, weil es andernorts ja keine neutralen Informationen gibt. Und es ist völlig unverständlich, dass unsere Nachbarn nicht aufs Land ziehen, um den Mietwohnungsmarkt in den Ballungsräumen zu entlasten - wir selbst können das wegen der fehlenden Infrastruktur ja leider, leider nicht tun.
So weit, so bequem. Ungemütlich wird es erst, wenn man die gegenseitige Schuldzuschieberei mal logisch zu Ende denkt. In letzter Konsequenz ist dann nämlich nicht niemand für nichts verantwortlich, sondern alle für alles.