Wie der Topathlet und Coach Andreas Niedrig Corona erlebt hat
Interview aus Bayern
Andreas Niedrig gehört zu den besten Triathleten der Welt und hat eine bewegte sportliche und persönliche Vergangenheit: Er hat es geschafft, als ehemaliger Drogenabhängiger zu einem Topathleten zu werden.
Für die TK spricht Andreas Niedrig als Motivator und Coach in Schulen, Universitäten und Firmen. Die Themen: Zielerreichung, Empowerment, Lebensbalance und Krisenmanagement. Im Interview erklärt Niedrig, wie er sich Herausforderungen stellt.
TK: Vor der Pandemie hatten Sie in Kooperation mit der TK jährlich rund 50 Präsenzveranstaltungen. Als Motivator lebten Sie die Kommunikation vor Ort mit dem Publikum. Wie empfanden Sie persönlich die Lockdowns und Kontaktbeschränkungen? Haben Sie neue Kommunikationsformen wie online, soziale Medien oder Video für sich entdeckt, um mit den Menschen in Kontakt zu bleiben?
Andreas Niedrig: Mit Beginn der Pandemie wurde ich gefragt, ob ich meine Vorträge auch online halten könnte. Spontan sagte ich ja. Doch dann wurde es erst mal ein großer Kraftakt, meine Vorträge online umzusetzen. In meinem Alter zählte ich nicht mehr zu den digital Natives. Die Rückmeldung des Publikums und ein direkter Austausch sind doch für jeden Menschen wichtig. Ich habe mir schnell Räume gemietet, ein Studio eingerichtet und mir so eine "Vortragsatmosphäre" geschaffen, ähnlich wie bei einer Präsenzveranstaltung. Eine Schaufensterpuppe, die ich direkt ansprechen konnte, stand hinter der Kamera und half mir dabei. Onlineveranstaltungen müssen prägnant und packend sein. Vor allem müssen sie einen Mehrwert für die Zuschauerinnen und Zuschauer bringen. Ist das nicht so, klappen die Menschen ihr Laptop zu und schalten ab. Bei einer Präsenzveranstaltung sehe ich, wenn ich meine Gäste nicht erreiche und kann sofort nachsteuern.
Das Beste, was wir tun können, ist rauszugehen in die Natur.
TK: Ziele setzen, um diese Schritt für Schritt zu erreichen, prägt als Leistungssportler Ihr Leben. Wie gelang es Ihnen, motiviert zu bleiben, wenn nach intensiver Vorbereitung und viel Training Veranstaltungen plötzlich pandemiebedingt abgesagt wurden?
Niedrig: Ich glaube mit, dieser Problematik war ich nicht nur als Sportler allein. Zum Beispiel traf es auch die Gastronomie, Kinos, Konzerte oder die Firmen- und Kundenberatung der TK. Fast alles stand still. Viele mussten in der Coronapandemie schnell und flexibel auf Lockdowns oder Regeländerungen reagieren. Wer das umsetzen konnte, ist auch besser durch die Zeit gekommen. Mir half es, sich genau an diesen Menschen zu orientieren, die positiv die Herausforderungen angenommen haben. Ich habe mich in der Corona-Zeit von meinem Fernseher verabschiedet, um mir diese ständigen, negativen Nachrichten nicht anschauen zu müssen. Auch habe ich mich von Menschen ferngehalten, die alles schlecht geredet haben und teilweise mit sehr drastischen Ansichten alles besser machen wollten in der Pandemie.
TK: Haben Sie neue Trainingsformen für sich gefunden, um beispielsweise die mentale Gesundheit in Dauerkrisenzeiten zu stärken?
Niedrig: Unser Mindset ist ein ziemlich einfach gestricktes System. Wir denken immer viel zu kompliziert, meine Programme oder Coachings helfen unserer Psyche. Das Beste, was wir tun können, ist rauszugehen in die Natur. Als Triathlet bin ich viel in der Natur, aber in der Pandemie habe ich noch intensiver erlebt, was für eine Energie ich beim Spazierengehen, Wandern, Radfahren, Klettern oder Kajak fahren bekomme. Das moderne Wort dafür ist wohl Entschleunigung. Bewusster Essen, bewusstes Atmen, einfach bewusster leben. Die meisten Menschen hatten in der Pandemie mehr Zeit für sich selbst. Wer dies erkannt hat oder vielleicht auch durch einen meiner Vorträge mit der Nase darauf gestoßen wurde, hatte sicher ein gutes Mindset. Erkenne deine Selbstwirksamkeit!
TK: Wie konsumieren Sie die Nachrichten und wie gehen Sie mit den vielen negativen Meldungen um? Wie machen Sie sich widerstandsfähig und bewahren Ihre Gesundheit?
Jede Lebensveränderung beginnt immer mit Disziplin.
Niedrig: Nachrichten zu selektieren, ist nicht immer ganz einfach. Mir ist wichtig, dass Nachrichten informieren, dabei aber nicht bewerten oder versuchen mich, in eine bestimmte Richtung zu schieben. Ich möchte selbst entscheiden, was ich als richtig empfinde. Dementsprechend war das Internet mit Facebook, Twitter oder Instagram für mich komplett Tabu und wie schon erwähnt, habe ich keinen Fernseher mehr.
TK: Welche Tipps können Sie den Menschen geben, um Resilienz, Motivation und das persönliche Gleichgewicht in diesen schwierigen Zeiten zu erhalten und zu stärken?
Niedrig: Disziplin! Im Sport wie auch im "normalen" Leben beginnt jede Lebensveränderung immer mit Disziplin. Leider kann auch ich als Motivationscoach keinen anderen Tipp geben. Rituale, mit denen man sich einen stabilen Tagesrahmen schafft, sind eine große Hilfe in schwierigen Zeiten. Rituale geben Struktur, um Zeit und Kraft zu tanken und wieder ordentlich durchzuatmen.
Mir hilft das Lesen von Büchern, vor allem Bücher von Menschen, die in schwierigen Zeiten Wege gefunden haben, um mit ihrer Situation klar zu kommen. Ich kann persönlich zwar nicht jede gelesene Geschichte in mein Leben übertragen, darum geht es auch nicht. Für mich geht es in schwierigen Zeiten eher darum, nicht den Glauben und die Hoffnung zu verlieren, dass es wieder besser wird. Genau das erreiche ich für mich durch das Lesen von Biografien.
TK: Was ist Ihr nächstes Ziel, auf das Sie sich derzeit vorbereiten?
Niedrig: Beruflich stärke ich gerade meine Position als Referent, was mir eine unfassbar große Freude bereitet. Heute bin ich nicht mehr der Sportler, der sich bei Wettkämpfen beweisen muss. Heute darf ich mit meiner Lebenserfahrung und ja, auch mit meinen Erfolgen, für andere Menschen da sein.