3 Fragen an ... Prof. Dr. Claudia Wöhler
Interview aus Bayern
Seit Juni spricht der Medizinische Dienst (MD) in Bayern mit der Kampagne "Pflegebedürftig!?" gezielt Menschen mit beginnendem Hilfebedarf an, um sie über Pflege und Pflegebedürftigkeit aufzuklären und in Beratung zu bringen. Die Vorstandsvorsitzende des MD Bayern, Prof. Dr. Claudia Wöhler, informiert über die Hintergründe der Aktion.
TK: Mit der Kampagne "Pflegebedürftig!?" möchten Sie Menschen dazu aufrufen, sich zu informieren, was Pflegebedürftigkeit bedeutet - und zwar bevor sie einen Pflegegrad bei Ihrer Pflegekasse beantragen. Warum ist dies aus Ihrer Sicht so wichtig?
Prof. Dr. Claudia Wöhler: Pro Monat werden allein in Bayern in der Spitze knapp 50.000 Aufträge zur Pflegebegutachtung erteilt! Zugleich lassen sich aber drei Viertel aller Menschen vor der Pflegebegutachtung nicht beraten. Und das führt zu Unsicherheiten bei den Versicherten, denn sehr häufig ist die Unwissenheit darüber, welche Voraussetzungen für die Pflegebedürftigkeit gegeben sein müssen, die Ursache für falsche Erwartungen.
TK: Wie wird die dauerhafte Unterstützung durch eine andere Person definiert und was ist der Unterschied zu einer Unterstützung im Haushalt?
Prof. Wöhler: Am besten beantwortet man zuerst für sich folgende Fragen: Kann man noch alleine ins Bett gehen oder aufstehen? Kleidung an- oder ausziehen? Sich in der Wohnung bewegen? Essen und Trinken? Sich waschen? Erst wenn man dabei dauerhaft, also länger als sechs Monate, Unterstützung benötigt, ist ein Pflegegrad möglich. Anders bei dem individuellen Wunsch nach Hilfe im Alltag: Wenn man Unterstützung im Haushalt, zum Beispiel beim Einkaufen, Kochen, Putzen oder außerhalb der Wohnung benötigt, zählt das nicht zu den gesetzlich definierten Kriterien von Pflegebedürftigkeit, sondern zur Organisation des Alltags. Aber auch hier gibt es Angebote, zu denen man sich beraten lassen kann.
TK: Für alle Fragen rund um die Pflege gibt es in Bayern für gesetzlich Versicherte eine Anlaufstelle, die Pflegeberatung Bayern. Welche Hilfe bekommen Betroffene dort?
Prof. Wöhler: Die Pflegeberatung Bayern ist ein kostenloses und unabhängiges Serviceangebot der gesetzlichen Pflegekassen in Bayern. Unter 0800 / 772 11 11 stehen ausgebildete Pflegefachkräfte mit langjähriger Berufserfahrung und einer Weiterbildung zur Pflegeberatung für alle Fragen zur Verfügung. Gebührenfrei und immer Montag bis Freitag von 08:00 bis 18:00 Uhr. Egal, ob man schon pflegebedürftig ist oder eben noch nicht: Das oberstes Ziel jeder Beratung ist es, die Selbständigkeit und Lebensqualität zu erhalten, zu fördern und zu verbessern.