Mehr Telefonate im Pflegezentrum
Interview aus Sachsen
In Zeiten der Coronapandemie hat die Belastung im Bereich Pflege noch einmal stark zugenommen - sowohl in den Heimen, aber auch zu Hause. Ganz nah dran an dieser Materie ist Georg van Elst. Der gelernte Krankenpfleger und studierte Volkswirt leitet seit Januar 2021 das Fachzentrum Pflege in Dresden.
TK: Für Sie war der Antritt zu dieser neuen beruflichen Aufgabe mit einem Umzug von der nördlichsten in die südlichste Elbmetropole Deutschlands verbunden.
Georg van Elst: In Coronazeiten umziehen ist schwierig. Aber noch schwieriger ist, dass ich meine neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht persönlich treffen konnte. Einen anderen Bereich übernehmen und die Kolleginnen und Kollegen nur virtuell und nicht persönlich zu treffen, ist für einen Einstieg erschwerend. Es geht mir um einen konstruktiven Austausch. Ich bin jedoch guter Hoffnung, dass aufgrund der Lockerungen, dahingehend eine Veränderung in Aussicht ist. Für mich ist es eine echte Herausforderung! Eine Einheit mit mehr als zweihundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzugestalten, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Ich freue mich, in so einem Gebiet - wie der Pflege - wo so viel passiert, mitwirken zu können. Und ich fühle mich schon ein bisschen angekommen: Dresden ist so eine tolle Stadt!
TK: Wie schätzen Sie die derzeitige Situation ein, hat sich das Arbeitsaufkommen wieder normalisiert?
van Elst: Wir haben in der Pflege nicht gespürt, dass die Arbeitsmenge sich verringert hätte. Es ist eher eine Zunahme zu verzeichnen - momentan liegen wir mit 20 Prozent über den Telefonaten des Vorjahres. Das heißt, wir haben nicht nur mehr Anruferinnen und Anrufer, sondern auch die Dauer der Gespräche ist länger geworden. Die Themen "Impfen" oder "Schutzkleidung" kommen zu den normalen Fragestellungen hinzu. Zum Glück bekommen wir TK-intern Unterstützung von einer anderen Einheit. Bei vielen Anruferinnen und Anrufern ist das Bedürfnis da, mit jemandem sprechen zu wollen. Dem wollen wir Rechnung tragen und die Menschen unterstützen. Man kann nicht absehen, dass die Ausnahmesituation nachlässt.
Bei vielen Anruferinnen und Anrufern ist das Bedürfnis da, mit jemandem sprechen zu wollen.
TK: Sie haben in Hamburg die Fachabteilung Pflege geleitet. Wie unterscheidet sich Ihr neues Aufgabengebiet von dem ehemaligen?
van Elst: Die Arbeitsschwerpunkte haben sich deutlich verlagert. In der Unternehmenszentrale haben wir mehr an allgemeinen und technischen Pflege-Themen gearbeitet, wir haben die Digitalisierung vorangetrieben, zum Beispiel die App TK-Pflege-Kompakt entwickelt. Unsere Aufgabe bestand auch in der Begleitung und Auswertung von Gesetzgebungsverfahren. In den letzten Jahren gab es im Bereich Pflege ständig neue Regelungen und Reformen. Hier in Dresden im Fachzentrum geht es mehr um Führungsthemen, um die Praxis und die Organisation von Arbeit. In der Pandemiezeit hat uns beispielsweise stark beschäftigt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegezentrums ins Homeoffice zu bringen.
TK: Wenn sie an die neue Bundesregierung denken, was muss sich in Sachen Pflege ändern?
van Elst: Sicherlich die Finanzierung der Pflege. Die Attraktivität des Pflegeberufes muss sich insgesamt verbessern, dazu zählen einerseits die Bezahlung und andererseits auch die Arbeitsbedingungen. Wir als TK fordern einen dauerhaften Zuschuss aus Steuermitteln, die Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige aus dem Bundeshaushalt und ein stärkeres finanzielles Engagement der Bundesländer. Auch beim Thema Digitalisierung in der Pflege gibt es jede Menge Potenzial, um beispielsweise die Prozesse zu verbessern oder die pflegenden Angehörigen zu unterstützen.
Zur Person
Georg van Elst ist gelernter Krankenpfleger und studierter Volkswirt. In der Hochphase der Coronapandemie meldete er sich zu einem Freiwilligeneinsatz für einen Monat in einem Hamburger Pflegeheim.