"Die Stärkung der Stellung der Transplantationsbeauftragten in den Kliniken hat sich ausgezahlt"
Interview aus Bremen
Warum ist Aufklärung so wichtig, um die Spendenbereitschaft der Menschen in Bremen und Bremerhaven zu erhöhen? Und was sind die Handlungsfelder eines Transplantationsbeauftragten? Antworten hierzu und auf weitere Fragen zum Thema Organspende liefert Dr. Dennis Gruschka, Transplantationsbeauftragter am Klinikum Bremen-Mitte.
TK: Zum Start eine allgemeine Frage: Wie steht es um die Spendenbereitschaft der Menschen in Bremen und Bremerhaven? Und sind Sie damit zufrieden?
Dr. Dennis Gruschka: Repräsentative Umfragen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigen in Deutschland eine allgemein positive Einstellung zum Thema Organspende. Die Organspenderzahlen hingegen sind im internationalen Vergleich anhaltend niedrig. Bezogen auf die Einwohnerzahl wurden in den letzten Jahren im Land Bremen mehr Organspenden durchgeführt als in anderen Bundesländern.
TK: In den vergangenen Jahren wurden auf Bundesebene zwei Gesetze verabschiedet, um den Prozess der Organspende zu verbessern und die Spendenbereitschaft zu erhöhen. Zeigen die Gesetze Wirkung? Was hat sich seither getan?
Die Stärkung der Stellung der Transplantationsbeauftragten in den Kliniken hat sich mancherorts ausgezahlt und erscheint aus meiner Sicht eine sinnvolle Maßnahme.
Gruschka: Die Stärkung der Stellung der Transplantationsbeauftragten in den Kliniken hat sich mancherorts ausgezahlt und erscheint aus meiner Sicht eine sinnvolle Maßnahme: Die Kollegen vor Ort leisten oft tolle Arbeit und haben für die stets von schweren Schicksalsschlägen betroffenen Patienten genau wie für deren Angehörige eine bedeutende Aufgabe. Auch den Versuch, die Hausärzte in die Aufklärungsarbeit einzubinden halte ich prinzipiell für eine gute Idee. Das demnächst startende bundesweite Online-Register wird seine Praxistauglichkeit erst unter Beweis stellen müssen. Hier sollen die Bürgerinnen und Bürger eigenständig eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende abgeben können.
TK: Was sind Ihre konkreten Handlungsfelder, um Aufklärungsarbeit über die Organspende zu leisten?
Gruschka: Als Transplantationsbeauftragter des Klinikums Bremen-Mitte biete ich vorrangig Schulungen und Vorträge für die Mitarbeitenden des Krankenhauses an. Eine Betonung liegt hierbei auf den Abteilungen, die regelmäßig am Organspendenprozess beteiligt sind. Gemeinsam mit der Organspendebeauftragten des Landes Bremen, Frau Sonja Schäfer, halte ich zudem Vorträge für Pflegeschülerinnen und -schüler, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und auch für die Bevölkerung vor Ort: Im Rahmen des Tages der Organspende standen Transplantationsbeauftragte der Bremer Kliniken am 01.06. auf dem Bremer Marktplatz Interessierten Rede und Antwort und berichteten über die Situation in Bremen.
TK: In Deutschland ist der Anteil der Menschen, die dem Thema Organspende eher positiv gegenüberstehen deutlich höher als der Anteil der Menschen, die tatsächlich einen Organspendeausweis besitzen. Wie kann die Zahl der potenziellen Spenderinnen und Spender tatsächlich erhöht und diese Lücke geschlossen werden?
Gruschka: Die von Ihnen angesprochene Diskrepanz wird trotz verschiedener Maßnahmen seit Jahren nur in sehr kleinen Schritten kleiner. In persönlichen Gesprächen mit den betroffenen Angehörigen, aber auch mit vielen anderen Menschen erkenne ich wiederkehrende Sorgen und Ängsten bezüglich einer Weitergabe der eigenen Organe beziehungsweise die der nächsten Angehörigen. Einige dieser Bedenken können durch eine fundierte Aufklärung ausgeräumt werden. Am Ende sollen die Menschen ermutigt werden, eine Entscheidung für oder gegen eine Organspende für sich zu treffen, sie zu dokumentieren und ihrer Familie mitzuteilen. Und dafür sollen sie objektiv und wertfrei informiert werden.
Am Ende sollen die Menschen ermutigt werden, eine Entscheidung für oder gegen eine Organspende für sich zu treffen, sie zu dokumentieren und ihrer Familie mitzuteilen. Und dafür sollen sie objektiv und wertfrei informiert werden.
TK: Weiterhin wird über die Frage nach einer Entscheidungslösung oder einer Widerspruchslösung diskutiert. Auch andere Vorschläge, wie die Transplantation nach Herz-Kreislauf-Stillstand, werden in Expertenkreisen besprochen. Welche Möglichkeiten sind aus Ihrer Sicht wirksam, um die Spendenbereitschaft zu steigern?
Gruschka: Alle angesprochenen Aspekte sollten ergebnisoffen diskutiert werden. Auch dafür braucht es eine gute Aufklärung. Die Veränderung bestehender Normen und gesetzlicher Grundlagen haben in europäischen Nachbarländern zu relevant gestiegenen Organspenderzahlen geführt - und damit viele Menschenleben retten können.