"Wir müssen durch mehr Klimaschutz die Folgen langfristig eindämmen"
Interview aus Thüringen
Bernhard Stengele, Thüringer Minister für Umwelt, Energie und Naturschutz erklärt, warum Klimaanpassung und Klimaschutz so entscheidend sind. Welche Bedeutung Hitzeschutz für unsere Gesundheit hat und welche Rolle dabei die Hitze-Toolbox spielt.
TK: Sie beschäftigen sich sowohl mit Klimaanpassung als auch mit Klimaschutz. Was bedeutet das und wie steht beides in Beziehung zueinander?
Minister Bernhard Stengele: Das Thüringer Umwelt- und Energieministerium hat beide Themen im Blick. Im Dezember 2018 haben wir als erstes der neuen Bundesländer ein Klimagesetz, das Klimaschutz und Klimaanpassung abbildet, beschlossen: das Thüringer Klimagesetz (ThürKlimaG).
Beide Handlungsfelder sind Antworten auf die Klimaveränderungen. Wir müssen durch mehr Klimaschutz die Folgen langfristig eindämmen und kurzfristig für die schon spürbaren Veränderungen gut aufgestellt sein.
Wir müssen durch mehr Klimaschutz die Folgen langfristig eindämmen und kurzfristig für die schon spürbaren Veränderungen gut aufgestellt sein.
Klimaschutz heißt: Wir wollen Wirtschaft und Gesellschaft klimafreundlich machen, insbesondere durch weniger Ausstoß von klimaschädlichen CO2. Hierzu gehören gute Rahmenbedingungen für den Ausbau erneuerbarer Energien samt Speicher und Netzen, aber auch Energieeffizienz oder den Schutz unserer Wälder zur CO2-Bindung. Klimaanpassung bezieht sich auf Veränderungen in Städten, wie Begrünung und Sonnensegel oder Starkregenvorsorge, aber auch Frühwarnsysteme.
TK: Welche der Klimaanpassungen, mit denen Sie sich beschäftigen, sind gleichzeitig Gesundheitsschutz?
Stengele: Gerade alte und junge Menschen können unter zu starker Hitze leiden - aber auch unter schlechter Luftqualität. Wir haben das Förderprogramm "Klima Invest". Mit diesem werden Maßnahmen für Kommunen gefördert: Verschattungsmaßnahmen, Wasserrückhalt, Entsiegelung, aber auch E-Autos in kommunalen Fuhrparks für eine bessere Luftqualität.
TK: Stichwort Hitzeschutz: Welche besondere Bedeutung hat er für die Gesundheit?
Stengele: Eine zunehmend große. Hitzewellen der vergangenen Sommer waren keine Ausnahme - sie sind das neue Normal. Die Jahre 2018 bis 2020 sind drei der vier wärmsten bisher im Freistaat gemessenen Jahre - seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Hitzewellen werden uns künftig häufiger und länger treffen können. Die Anzahl der heißen Tage in Thüringen, an denen die Temperatur auf über 30 °C steigt, hat sich in den letzten 30 Jahren im Mittel auf acht verdoppelt - Tendenz steigend. Es geht jetzt und in Zukunft darum, unsere Natur und Umwelt so zu schützen, dass sie uns auch in der Klimakrise Lebensgrundlage bleiben kann und uns selbst so zu schützen, dass wir höheren Temperaturen und zunehmenden Extremwettern besser widerstehen können.
Es geht jetzt und in Zukunft darum, unsere Natur und Umwelt so zu schützen, dass sie uns auch in der Klimakrise Lebensgrundlage bleiben kann und uns selbst so zu schützen, dass wir höheren Temperaturen und zunehmenden Extremwettern besser widerstehen können.
Hitze ist ein kaum sichtbares Problem im Gegensatz zu den Klimawirkungen Starkregen, Hochwasser und Trockenheit. Während sich in den Medien viele Berichte zu überschwemmten Straßen und Dürreschäden in der Landschaft finden, lassen sich Hitzeerkrankung und Hitzetod schwer in Bilder fassen. In Hitzeperioden, die wir in den letzten Jahren auch in Thüringen deutlich häufiger erlebt haben, kommt es zu vermehrten Notfalleinsätzen und Krankenhauseinweisungen.
TK: Welche Strategien und Programme wurden bereits erfolgreich in Thüringen umgesetzt, um Hitzeschutz zu verbessern? Welche Ergebnisse wurden erzielt?
Stengele: Im Thüringer Klimagesetz ist der Schutz der menschlichen Gesundheit als eines der Ziele der Anpassung an die Klimaveränderungen festgelegt. Die Behörden werden aufgefordert, dieses Ziel nach ihren Möglichkeiten zu verfolgen.
Das Umweltministerium stellt den Thüringer Kommunen eine Reihe von Instrumenten im Umgang mit dem Hitzeschutz zur Verfügung - allen voran unsere neue Toolbox. Sie hilft den Kommunen, Maßnahmen zum Schutz vor Hitze auszuwählen und umzusetzen. Diese Maßnahmen sind in Kategorien wie Sofortmaßnahmen, Informationskampagnen vor Hitzeperioden und langfristige Strategien unterteilt. Viele dieser Maßnahmen haben auch positive Effekte auf andere Handlungsfelder und verstärken sich gegenseitig.
Um die kommunale Verwaltung für das Thema zu sensibilisieren, wurden im Zuge der Veröffentlichung der Hitze-Toolbox drei Veranstaltungen durchgeführt, um die Anwendung der Toolbox zu unterstützen. Alle drei Veranstaltungen wurden sehr gut angenommen. Mittlerweile wurde die Toolbox auch auf anderen Veranstaltungen, wie der Landesgesundheitskonferenz Thüringen und dem Aktionsbündnis Innenstädte mit Zukunft vorgestellt und erhält weiterhin viel Aufmerksamkeit. In den letzten Jahren wurden 60 Maßnahmen im Hitzeschutz und weitere 33 Maßnahmen zur Begrünung gefördert.
In den letzten Jahren wurden 60 Maßnahmen im Hitzeschutz und weitere 33 Maßnahmen zur Begrünung gefördert.
Durch das Förderprogramm "Klima Invest" und den Klimapakt werden Kommunen in der Umsetzung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen unterstützt. Das Programm ergänzt die Maßnahmen der Hitze-Toolbox um ein Förderinstrument, mit dem die Kommunen Anpassungsmaßnahmen im Hitzeschutz gefördert bekommen. In den letzten Jahren wurden 60 Maßnahmen im Hitzeschutz und weitere 33 Maßnahmen zur Begrünung gefördert. Am beliebtesten ist dabei der Sonnenschutz an Gebäuden und die Begrünung mit klimaangepassten Baum- und Straucharten.
Zur Person
Bernhard Stengele ist seit Februar 2023 Thüringer Minister für Umwelt, Energie und Naturschutz. Bis März 2023 war er Landessprecher von Bündnis 90/Die Grünen.