Der ÖGD und die Folgen des Klimawandels
Interview aus Thüringen
Als dritte Säule im Gesundheitswesen spielt der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) eine wesentliche Rolle, um die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels zu mildern. Denn der ÖGD ist die gesundheitsbezogene Schnittstelle in die Landkreise und kreisfreien Städte. Er berät zudem zum Beispiel Pflegeeinrichtungen. Außerdem gehört Gesundheitsförderung zu seinen Kernaufgaben.
Dr. Isabelle Oberbeck, Leiterin des Gesundheitsamts in Weimar, hat mit uns über die Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Arbeit und anstehende Herausforderungen gesprochen.
TK: Frau Dr. Oberbeck, wie beeinflussen nötige Klimaanpassungen bzw. Klimaschutz die Arbeit des ÖGD?
Dr. Isabelle Oberbeck: Die Klimakrise ist eine der Krisen mit Folgen für die Gesundheit, die sich nahtlos an die Covid-19-Pandemie angeschlossen bzw. sie überlagert haben.
Klimabedingte Veränderungen der Lebensumstände - besonders Hitze - können sich erheblich negativ auf die Gesundheit auswirken.
Im Zuge der Pandemie wurde der ÖGD annähernd so ausgestattet, dass er die ohnehin bestehenden Pflichtaufgaben erfüllen kann. Klimabedingte Veränderungen der Lebensumstände - besonders Hitze - können sich erheblich negativ auf die Gesundheit auswirken. Der Schutz davor ist eine der vielen neuen Aufgaben, denen wir uns in naher Zukunft stellen wollen und müssen.
TK: Wie machen Sie das?
Dr. Oberbeck: Die ersten Schritte waren Bestandsaufnahme und Vernetzungsarbeit. Das geschah unter anderem im Austausch mit der Landesregierung und anderen Gesundheitsämtern.
Auf lokaler Ebene bei uns in Weimar heißt das, dass wir mit dem Umweltamt und der Stadtentwicklung zusammengekommen sind. Dabei haben alle Seiten viel gelernt.
Es ging zum Beispiel konkret darum, die ganze Stadt umweltgeografisch zu analysieren. Wo gibt es Hitzestaus? Wie sind die Luftströme? Was hilft, damit nachts schneller für Abkühlung gesorgt wird? Letzteres ist für den Schlaf besonders in tropischen Nächten wichtig. Schlafmangel kann bekanntlich erhebliche gesundheitliche Folgen haben.
TK: Welche Maßnahmen helfen noch, die Gesundheit bei Hitze zu schützen?
Dr. Oberbeck: Häufig kann man die Lage durch bereits bekannte, zum Teil einfache Maßnahmen verbessern. Wenn es um die Begrünung der Stadt geht, sind wir als ÖGD zum Beispiel die ärztliche Schnittstelle. Mit Fassadenbegrünung kann viel erreicht werden. Dazu gibt es gute Ergebnisse aus Wien.
Wenn es um die Begrünung der Stadt geht, sind wir als ÖGD zum Beispiel die ärztliche Schnittstelle.
Außerdem sollte es an zentralen Plätzen Trinkwasserangebote geben. Abgesehen von der dringend nötigen Möglichkeit, Wasser aufzunehmen, werden Menschen dadurch immer wieder daran erinnert, wie wichtig das an heißen Tagen ist.
In der Hitze-Toolbox der Landesregierung sind weitere hilfreiche Maßnahmen gebündelt.
TK: Wird der ÖGD konkret angesprochen, um zu Hitzeschutz zu beraten?
Dr. Oberbeck: Ja. Besonders in Gesprächen und bei Begehungen von Pflegeeinrichtungen ist das Thema. Da geht es manchmal um auf den ersten Blick selbstverständliche Themen: Wie können wir Räume in Pflegeeinrichtungen beschatten? Wie schaffen wir es, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner genug trinken?
Die Schwierigkeit ist dann oft, dass wir bei der Umsetzung als ÖGD wenig Handlungsmöglichkeit haben. Die Stadt kann weder die Träger von Pflegeeinrichtungen dazu bringen, Außenrollos anzubringen, noch können wir den Personalmangel in den Einrichtungen beheben. Denn die Getränke müssen den älteren Menschen sehr häufig in die Hand gegeben werden, damit sie auch wirklich genug Flüssigkeit zu sich nehmen. Sind zu wenig Pflegerinnen und Pfleger vor Ort, kann das schwer werden.
Bei der Frage, wie wir vulnerable Gruppen schützen, sind sehr viel Vernetzung, Gespräche und Überzeugungsarbeit nötig.
Bei der Frage, wie wir vulnerable Gruppen schützen, sind sehr viel Vernetzung, Gespräche und Überzeugungsarbeit nötig. Ganz besonders suchen wir den Kontakt zur Kassenärztlichen Vereinigung, weil die Hausärztinnen und -ärzte zu den wichtigsten Ansprechpartnern gehören.
TK: Wer bedarf neben Babys und Kleinkinder, Schwangere oder Kranke, noch besonderen Schutz?
Dr. Oberbeck: In der Arbeitsmedizin ist deutlich mehr Aufmerksamkeit nötig. Oder auch: Firmen, in denen das Thema Gesundheitsschutz vielleicht noch nicht so eine hohe Priorität hat, müssen sensibilisiert werden. Ich denke dabei besonders an Menschen, die draußen arbeiten, zum Beispiel mit heißem Teer.
TK: Abgesehen von hohen Temperaturen, welche Herausforderungen kommen durch den Klimawandel auf die Gesundheit der Menschen in Thüringen zu?
Dr. Oberbeck: Es gibt zahlreiche Aspekte, die alle noch zusammengefasst und an entsprechender Stelle platziert werden müssen. Um nur einen weiteren zu nennen: Erkrankungen, die durch Insekten wie eigentlich in den Tropen heimische Mückenarten oder Zecken übertragen werden. Es ist eine Frage der Zeit, ehe wir verstärkt damit zu kämpfen haben.