Die elektronische Patientenakte (ePA) ist für gesetzlich Versicherte, die nicht widersprochen haben, seit Anfang des Jahres angelegt. Mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Apotheken wird die Akte getestet und Schnittstellen bzw. Kommunikationswege werden optimiert. Danach soll sie bundesweit ausgerollt werden.

TK: Was halten Sie als Hausarzt davon, dass die digitale Akte jetzt kommt?

Dr. Ulf Zitterbart: Wir haben verschiedenste Akten; in Krankenhäusern haben wir Akten, in Arztpraxen haben wir Akten, der Patient hat selbst Akten, sie als Kassen haben auch Akten. Und nun soll alles zusammengeführt und digitalisiert werden, sodass diejenigen, die ihn benötigen, Zugriff auf die Daten haben. Das finde ich eine gute Idee.

Den richtigen Nutzen merke ich vielleicht erst in ein paar Jahren.
Dr. Ulf Zitterbart

TK: Welche Änderungen erwarten Sie für den Praxisalltag?

Zitterbart: Ich gehe nicht davon aus, dass wir jetzt zum Start und in der ersten Ausbaustufe einen großen Mehrwert spüren werden. Ich vergleiche das immer mit der Umstellung von der papiergebundenen Praxis auf die elektronische Praxis, die ihre Kartei also im Computer hat. Da beginnt man auch bei Null. Wir haben damals alle neuen Befunde digitalisiert, uns die elektronische Akte angelegt und sie nach und nach befüllt.

Dr. Ulf Zitter­bart

Ulf Zitterbart, Landarzt in Kranichfeld, Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Thüringen Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Landarzt in Kranichfeld und Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Thüringen

In den ersten ein, zwei, drei Jahren ist das schwierig und bringt nicht viel Mehrwert. Aber wenn ich jetzt schnell, gut erreichbar, mit guter Suchfunktion zum Beispiel einen Gastroskopiebefund von vor acht Jahren finden kann, dann hilft mir das sehr bei meiner Arbeit und meinem Patienten damit auch.

Auch der elektronische Medikamentenplan wird ein deutlicher Mehrwert für uns sein.
Dr. Ulf Zitterbart

So stelle ich mir das jetzt auch bei der ePA vor - den richtigen Nutzen merke ich vielleicht erst in ein paar Jahren, es ist aber auch kein erheblicher Mehraufwand. Wenn das Befüllen Zeit frisst, würde es problematisch werden. Danach sieht es nach dem, was ich bis jetzt weiß, nicht aus.

Um bei dem Gastroskopiebeispiel zu bleiben: Der Befund kommt jetzt häufig noch in Papierform, wird von uns in der Praxis eingescannt und dann in die Akte geladen, die wir digital für alle Patientinnen und Patienten führen. In Zukunft lädt der Gastroenterologe den Befund einfach in die ePA und ich bekomme durch das Stecken der Versichertenkarte Zugriff darauf.

TK: Sie sind unter anderem Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Thüringen. Wie nehmen Sie die Haltung ihrer Kolleginnen und Kollegen gegenüber der ePA wahr?

Vielleicht erwarten sie für den Anfang sogar ein bisschen zu viel.
Dr. Ulf Zitterbart

Zitterbart: Das ist ganz unterschiedlich. Ich erlebe zum Beispiel gerade, wie es ist, wenn man in einer großen Praxis viele Patientinnen und Patienten versorgt, weil Kolleginnen und Kollegen krank sind. Da ist man so extrem belastet, die Patienten überhaupt behandeln zu können und eine gute Medizin zu machen, dass jeder Klick, den ich machen muss, ein Klick zu viel ist.

Das entscheidende für die Kolleginnen und Kollegen wird die Handhabung sein. Die Arztinformationssysteme müssen es schaffen, dass sich die Befunde fast automatisiert in die ePA schreiben.

Im Moment gibt es auch noch viel Unwissenheit darüber, wie einfach der Umgang mit der ePA theoretisch sein soll.

Außerdem muss es einen Mehrwert für uns geben. Das kann zum Beispiel sein, dass ich Information leichter finde als bisher. Auch der elektronische Medikamentenplan wird ein deutlicher Mehrwert für uns sein.

Was ich mir zudem erhoffe und sicher auch viele überzeugt, ist ein Abbau von Bürokratie. Nehmen wir das Beispiel Krankenhausentlassungen: Wenn ich den Entlassbrief aus dem Krankenhaus nicht mehr händisch durchgehen muss, sondern wichtige Informationen über neu verordnete oder neu dosierte Medikamente schon in der Akte habe, dann spart das unheimlich Zeit.

Das ist genauso wie das Recht, seine Tabletten nicht einzunehmen.
Dr. Ulf Zitterbart 

TK: Wie sehen Patientinnen und Patienten auf die Einführung der ePA? Ist sie Thema?

Zitterbart: Ja, immer. Die Patientinnen und Patienten fragen, wann es bei uns losgeht. Die meisten sind sehr positiv eingestellt und gehen davon aus, dass die ePA etwas Gutes für sie ist. Vielleicht erwarten sie für den Anfang sogar ein bisschen zu viel.

Die Menschen, die immer wieder Ärzteinnen und Ärzte aufsuchen, sehen, mit wieviel Papierkram und Abstimmungsbedarf das alles verbunden ist. Mittlerweile wollen auch viele eine Kopie ihrer Befunde. Einige Versicherte möchten einen Ausdruck ihres Impfpasses, den wir elektronisch in unserem Praxissystem haben. Mit der ePA haben sie das alles digital beisammen und das ist vielen sehr bewusst.

TK: Wie beurteilen Sie es, dass die Versicherten selbst entscheiden können, welche Informationen aus der Akte von wem gesehen werden?

Zitterbart: Die Akte des Patienten ist die Akte des Patienten.

Wenn Patientinnen oder Patienten nicht möchten, dass ich bestimmte Inhalte ihrer Akte sehe, dann ist das ihr gutes Recht. Dann müssen sie allerdings auch wissen, dass fehlende Informationen zu Fehlern oder einer nicht optimalen Versorgung führen können. Das ist genauso wie das Recht, seine Tabletten nicht einzunehmen. Natürlich wäre es mir lieb, wenn mir das in einem vertrauten Verhältnis gesagt wird, damit wir darüber reden können, wieso sie nicht genommen werden und ob wir zum Beispiel leichter schluckbare Präparate verschreiben.

Gleichzeitig ist es der Körper der Patientin bzw. des Patienten, mit dem wir da arbeiten. Das heißt sie bzw. er darf die Verantwortung übernehmen, genauso wie für Daten und damit die Akte. Schwer erkrankte Menschen werden besonders von der Akte profitieren. Gerade sie können in der Regel gut einschätzen, wie sehr es hilft, wenn Ärzte möglichst vollständig informiert sind.

Zur Person

Dr. Ulf Zitterbart arbeitet als Facharzt für Allgemeinmedizin in Kranichfeld, einer 3000-Seelen-Gemeinde in Thüringen.  Außerdem ist er Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Thüringen.