Resistente Keime als unsichtbare Gefahr
Position aus Saarland
Antibiotikaresistente Keime sind jährlich für Millionen von Todesfällen weltweit verantwortlich. Mit neuen Antibiotika könnten diese effektiv bekämpft werden. Allerdings stockt die Antibiotikaforschung aktuell. Die Gründe dafür und mögliche Maßnahmen dagegen erläutert LV-Leiter Stefan Groh in seinem Standpunkt. Dabei spielt auch das Saarland eine Rolle.
Von 2020 bis 2023 beschäftigte die Coronapandemie die Menschen weltweit. Mittlerweile sind laut offizieller Zahlen der Weltgesundheitsorganisation über 7 Millionen Menschen (Stand Februar 2024) mit oder an Covid-19 gestorben. Doch auch von anderen Erreger geht Gefahr aus: resistente, im schlimmsten Fall sogar multiresistente Keime. Also Krankheitserreger, die von einem oder mehreren Antibiotika nicht mehr bekämpft werden können.
Die Gründe für die sich entwickelnden Resistenzen sind laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) vielfältig. Der unsachgemäße Einsatz von Antibiotika, zum Beispiel bei Erkältungskrankheiten, die häufig von Viren verursacht werden, sind ein Grund. Die Erfindung von Sir Alexander Fleming hilft nämlich nur gegen Bakterien. Außerdem werden diese Medikamente zu oft nicht ordnungsgemäß verwendet, also mit falscher Dosierung oder zu kurzer beziehungsweise langer Dauer der Einnahme. Zusätzlich nennt das BMG mangelnde Einhaltung von Hygienemaßnahmen in Veterinär- und Humanmedizin als Ursache. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller erwähnt zusätzlich den Fehlgebrauch als Masthilfe in der Tierhaltung.
Antibiotikaforschung nicht lukrativ
Im Jahr 2019 sind Schätzungen zufolge 1,2 Millionen Menschen weltweit an resistenten Keimen gestorben.
Auch wenn die Probleme erkannt und teilweise angegangen wurden, muss noch viel mehr geschehen. Im Jahr 2019 sind laut Schätzungen einer internationalen Forschergruppe allein 1,2 Millionen Menschen weltweit an resistenten Keimen gestorben. Bei zusätzlich fast fünf Millionen Todesfällen waren die Keime zumindest mitverantwortlich. Hinzu kommt, dass die Forschung nach neuen Antibiotika immer mehr brachliegt. Die meisten großen Pharmakonzerne haben sich aus der Forschung verabschiedet, weil sie finanziell nicht lukrativ ist. Schließlich erforscht und produziert man im besten Falle neue Reserveantibiotika, die erst einmal nicht zum Einsatz kommen und zu denen nur im äußersten Notfall gegriffen wird. Wie der Norddeutsche Rundfunk schon 2019 herausfand, sind fast die Hälfte aller Unternehmen, die 2016 eine gemeinsame Erklärung über mehr Anstrengungen im Kampf gegen Resistenzen vereinbart hatten, aus der Forschung ausgestiegen. Aus Sicht eines Wirtschaftsunternehmens ist das sicherlich nachvollziehbar, doch ist das auch ethisch vertretbar?
Politik ist gefordert
Aus meiner Sicht ist hier die Politik gefordert - in Deutschland, aber auch weltweit. Es müssen Anreize geschaffen werden, damit die Forschung wieder intensiviert wird. Denn je mehr Kapazitäten in die Antibiotikaforschung gesteckt werden, desto wahrscheinlicher sind weitere Erfolge. Institute, wie das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), leisten auf dem Feld zusätzlich gute Arbeit und können in Zusammenarbeit mit den Pharmaunternehmen eine wichtige Rolle spielen.
Ärzteschaft sensibilisieren
Wir als TK setzen uns für einen sorgsamen Umgang der Ärzteschaft mit Antibiotika ein. Zum Beispiel mit dem abgeschlossenen Projekt RESIST, das mit den Ersatzkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland und weiteren Partnern durchgeführt wurde. Es steht für "Resistenzvermeidung durch adäquaten Antibiotikaeinsatz bei akuten Atemwegsinfektionen" - und hatte Erfolg. Im Saarland wurden 2014 noch 44 Prozent der wegen einer Erkältung arbeitsunfähigen Erwerbspersonen Antibiotika verordnet, 2020 sank die Quote auf 20 Prozent.
Hoffnung "Pathoblocker"?
Neben den Antibiotika machen aber auch andere Behandlungsmöglichkeiten im Kampf gegen resistente Keime Hoffnung. So haben Forscher des HIPS Ende 2021 neue Wirkstoffkandidaten entwickelt, die Bakterien zwar nicht abtöten, aber krankmachende Eigenschaften der Erreger blockieren. Diese sogenannten "Pathoblocker" sind in diesem speziellen Fall auf den Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa zugeschnitten, zeigen aber, dass es neben der klassischen Antibiotikaforschung weitere Potenziale zur Bekämpfung resistenter Keime gibt. Diese müssen durch aufwendige Arbeit und intensive Forschung erkannt und genutzt werden.
Letztlich kommt es auf die Forschung an. Nur mit guten Ergebnissen sind die Menschen weltweit auf die Bekämpfung resistenter und multiresistenter Keime vorbereitet. Allerdings muss die Politik gute Rahmenbedingungen schaffen und auch finanziell unterstützen, um in diesem Bereich wieder mehr Aktivitäten zu fördern. Und die Zeit drängt.