Bereits auf der Pariser Klimakonferenz 2015, einigten sich alle völkerrechtlich anerkannten Staaten darauf, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Darüber hinaus wurden Ziele zur Verringerung von Treibhausgasemissionen definiert sowie vereinbart, die Finanzmittel für Klimaschutzmaßnahmen aufzustocken, um vor allem die Länder des globalen Südens, die besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, zu unterstützen.

Jörn Simon

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Leiter der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz

Mit der Corona-Pandemie kam eine Zäsur

Doch mit Beginn der Corona-Pandemie kam eine Zäsur: Das Gesundheitswesen sah sich angesichts der endemischen Verbreitung des Covid-19-Virus einer Vielzahl von komplexen Herausforderungen gegenüber, sodass die Frage, wie die Gesundheitsversorgung in Deutschland krisenfester gestaltet werden kann, verständlicherweise in den Vordergrund trat, der Klimaschutz geriet aus dem Fokus. 
Gleichzeitig häufte sich das Auftreten extremer Wetterereignisse, wie Hitze, Starkregen oder Überflutungen und zeigte, dass die Auswirkungen des Klimawandels bereits "vor der eigenen Haustür" angekommen sind. Eine Flutkatastrophe, wie sie sich 2021 hierzulande im rheinland-pfälzischen Ahrtal oder auch 2024 im Saarland ereignete, wird durch den Klimawandel auch für andere Regionen immer wahrscheinlicher und stellt nicht nur eine Bedrohung für unsere ökologische Umwelt, sondern auch die Gesundheit der Bevölkerung dar.

Der Gesundheitssektor verursacht 5,2 Prozent der CO2-Emissionen

Doch warum sollte das Thema "Nachhaltigkeit" gerade im Gesundheitswesen ganz oben auf der Agenda stehen? Der Gesundheitssektor allein ist für 5,2 Prozent der gesamten CO2-Emissionen Deutschlands verantwortlich und erreicht damit höhere Werte als etwa die Schifffahrt oder der Flugverkehr. Laut des aktuellen "Klinikreport Nachhaltigkeit" vom Deutschen Krankenhausinstitut (DKI), der Beratungsgesellschaft für sozial-ökologische Innovationen (imug) und der Techniker Krankenkasse (TK) verbraucht ein Krankenhausbett jährlich so viel Energie, wie vier Einfamilienhäuser.

OP-Narkose entspricht einer Autofahrt nach China

Narkosegase wie etwa Desfluran und Sevofluran sind um das Hundert- bis Tausendfache klimaschädlicher als CO2 und können zwei Drittel der Emissionen im Operationssaal ausmachen. Die klimaschädliche Wirkung einer siebenstündigen OP mit Desfluran entspricht etwa einer Autofahrt von 8.000 Kilometern.

Selbstverständlich ist auch die Herstellung von Medikamenten mit teils sehr weiten Lieferwegen, die Entwicklung und Nutzung medizintechnischer Geräte sowie Tonnen von medizinischem Abfall, der bei der Patientenversorgung entsteht, tagtäglich für einen ökologischen Fußabdruck alarmierender Größe verantwortlich. Es ist also höchste Zeit, dass sich auch im Gesundheitswesen auf die Einhaltung umfassend definierter Aspekte beim Thema Nachhaltigkeit geeinigt wird und dass diese auch eine konsequente Umsetzung finden. Dabei wäre es hilfreich, einen strukturierten Maßnahmenplan zu erarbeiten, wie dieses Kernziel als Leitbild in den unterschiedlichen Handlungsfeldern implementiert und kontrolliert werden kann.

Nachhaltigkeit: Rund die Hälfte der Kliniken hat sich auf den Weg gemacht

Wo steht beispielsweise die Krankenhauswelt in Sachen Nachhaltigkeit? Eine Befragung, die im Rahmen des zuvor genannten Klinikreports durchgeführt wurde, zeigt: Bei jeweils rund der Hälfte der Kliniken ist die Leitidee der Nachhaltigkeit in den Unternehmenszielen verankert bzw. gibt es bereits eine mit Maßnahmen hinterlegte Nachhaltigkeitsstrategie. Ein weiteres Drittel will dies in nächster Zeit angehen. Zugleich zeigt die Befragung aber auch einen beträchtlichen Handlungsbedarf. 
Große Schwierigkeiten werden beim Ermitteln von CO2-Emissionen gesehen. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass erst 21 Prozent der Häuser ihre CO2-Emissionen kontrollieren. Darüber hinaus haben bisher 22 Prozent eine Richtlinie erarbeitet, die das für die Nachhaltigkeit von Krankenhäusern so wichtige Beschaffungswesen zu ökologischen und sozialen Themen steuert. Auch hat bislang nur ein kleiner Teil der Krankenhäuser (18 Prozent) einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Klar ist aber: Deutschlands Krankenhäuser haben die Bedeutung von Nachhaltigkeit erkannt.

Nachhaltigkeitsmanagement: Die BG Klinik Ludwigshafen setzt bereits Maßnahmen um

Dazu zählt beispielsweise auch die BG Klinik Ludwigshafen. Das Ressort "Infrastruktur, Bau und Einkauf" wird von Diplom-Ingenieur Burak Isiksal geleitet. Unter seiner Federführung wird bereits eine Vielzahl von Maßnahmen erfolgreich umgesetzt. Hierzu zählt etwa die Reduzierung von Dienstreisen, Angebote wie etwa Jobräder oder auch kostenloses E-Tanken für Mitarbeiter, das Minimieren von Ausdrucken, digitale Patientenzeitschriften, vegetarisches und veganes Essen in der Kantine und - last but not least - die zunehmende Einbindung der Digitalisierung, um die Emission von CO2 zu reduzieren.

TK widmet Jahresempfang in Mainz dem Thema "Nachhaltigkeit"

Da "Nachhaltigkeitsmanagement" ein sehr facettenreiches Thema ist, stellt die TK-Landesvertretung in Mainz ihren Jahresempfang unter das Motto: "Go Green - Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen". Im Zuge der Veranstaltung wird Burak Isiksal von seinen Erfahrungen in puncto "Nachhaltigkeit" als Gast berichten.

Praxissiegel soll grünes Bewusstsein fördern

Zur Förderung nachhaltigen Handelns im ambulanten Sektor hat die TK in Kooperation mit dem aQua-Institut das Siegel "Nachhaltige Praxis - Klima. Umwelt. Mensch" initiiert. Die Auszeichnung erhalten Praxen, die nachweisen können, dass sie ökologische und soziale Standards in ihren Arbeitsalltag integrieren. Zu den Voraussetzungen für die Vergabe des Siegels gehört beispielsweise die Teilnahme an Online-Kursen ein Audit sowie eine unabhängige Prüfung der Stiftung Praxissiegel e. V.

Go Green: Digitalisierung birgt immenses Potential

Nicht zuletzt birgt die Digitalisierung immenses Potential, um das Gesundheitswesen "grüner" zu gestalten. Die Einführung des E-Rezepts beispielsweise wird zu einer drastischen Reduzierung des Papierbedarfs führen. Zudem ist zu erwarten, dass die elektronische Patientenakte (ePA) maßgeblich dabei unterstützt, Ressourcen, wie etwa den Personaleinsatz, effizienter zu gestalten.

Telemedizinische Angebote ersparen Wegstrecken 

Auch telemedizinische Angebote tragen zur Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen bei, da sie beispielsweise in ländlichen Regionen einen bequemeren Zugang zur Gesundheitsversorgung ermöglichen, ohne dass hierfür lange Wegstrecken - etwa mit dem Auto - zurückgelegt werden müssen.

Auch digitale Angebote müssen energieeffizient gestaltet sein

Dabei ist selbstverständlich klar, dass auch die digitalen Angebote selbst einen relevanten ökologischen Fußabdruck haben. So verursacht das Versenden einer längeren E-Mail circa 17 Gramm CO2 und eine einfache Google-Recherche etwa 0,2 Gramm.

Nichtsdestoweniger ist es die grünere Alternative, vergleicht man es mit dem Versenden eines analogen Briefs. Allerdings neigen wir in Deutschland dazu, beides zu tun. Schon allein aus rechtlichen Gründen, erfolgt die Informationsübermittlung häufig per Mail und per Brief.

Klimaschädlich oder Klimafreundlich - beides kostet Geld 

Selbstverständlich erfordert die Einführung von mehr Nachhaltigkeit oft zunächst ein Investment, das sich aber mittelfristig auszahlen wird. Abgesehen von der Beeinträchtigung der persönlichen Gesundheit, kostet es die gesamte Gesellschaft bekanntermaßen auch ein Vermögen, weiterhin klimaschädlich zu agieren. So ist es beispielsweise schwer, den finanziellen Aufwand für den Wiederaufbau des Ahrtals aktuell seriös zu schätzen, sicher ist aber, dass es sich in der Dimension von Milliarden bewegt.