Vermutlich am 28. September 2025 findet die nächste Bundestagswahl statt. Zumindest hat eine Einigung bei den schwierigen Haushaltsdebatten vorerst ein frühzeitiges Scheitern der Ampelkoalition und damit eventuelle Neuwahlen verhindert. Vor diesem Hintergrund nimmt das Bundesgesundheitsministerium auf der langen Zielgeraden der aktuellen Legislatur nochmal Fahrt auf und bringt diverse Gesetzesvorhaben in die parlamentarischen Prozesse. 

Gleich vier dieser Vorhaben passierten am 17. Juli das Kabinett: Die Reform der Notfallversorgung, das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz, das Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit und das 3. Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes. Das Gesundes-Herz-Gesetz folgte am 28. August, das Apothekengesetz hing dagegen Ende August noch in der Warteschleife. Nimmt man die Krankenhausreform, das Gesundheitsversorgungstärkungsgesetz  und noch das im Juli beschlossene Medizin-Forschungsgesetz hinzu, sieht man, wie viele Bälle das BMG gerade in der Luft jongliert - mit unklarem Ausgang, was davon tatsächlich noch umgesetzt wird. Vor allem, da nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen nochmal neue Bundesratsverhältnisse entstehen können. Einige Kurzbewertungen der wichtigsten Vorhaben von Jörn Simon, Leiter der TK-Landesvertretung in Rheinland-Pfalz.

Jörn Simon

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Leiter der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz

Krankenhausreform: 

Vorsicht ist geboten: Die Reform darf nicht weiter "aufgeweicht" werden, ansonsten besteht die Gefahr, dass wir uns einem Kipppunkt nähern, an dem keine Reform die bessere Option wäre. Das ursprüngliche Ziel, flächendeckend mehr Qualität durch sinnvolle Arbeitsteilung zwischen den Kliniken zu schaffen, gerät mehr und mehr in den Hintergrund. Stattdessen entstehen immer mehr Kostenfallen für die Beitragszahlenden, u.a.  der für die Beitragszahler sehr teure Transformationsfonds (25 Mrd. Euro) für Aufgaben, die eigentlich vom Staat zu finanzieren sind. Auch der Umstand, dass bei der Rechnungsprüfung von Prüfquoten auf Stichproben umgestellt werden soll, macht die Prüfung durch neue Verfahren bürokratischer. Stichprobensysteme sind schon mehrfach in der Praxis gescheitert. Den Beitragszahlenden droht bei einem Wegfall der systematischen Prüfungen eine Belastung in Milliardenhöhe Bedenklich ist zudem, dass die Planung der psychiatrischen-Versorgung bei den Leistungsgruppen - anders als in NRW - aktuell ausgespart wird. Krankenhausplanung über die neuen Leistungsgruppen muss von Beginn somatische und psychische Versorgung zusammen berücksichtigen. Nur so entsteht eine Klinikversorgung aus einem Guss. Zudem sollten die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen auf unterversorgte und ländliche Bereiche beschränkt bleiben, statt in urbanen Räumen eventuell noch on top eine bestehende Überversorgung zu verstärken. Letztlich darf das Ziel der Reform, die Qualität zu steigern, nicht noch stärker in den Hintergrund geraten, z.B. indem regionale Ausnahmen über einheitliche Qualitätsvorgaben gestellt werden. Insgesamt gilt zur Reform: Ein zukunftsfestes Aufstellen der Krankenhausfinanzierung und -strukturen wäre so wichtig!  

Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz: 

Es ist gut, dass beim Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz umstrittene und kostenintensive Projekte, wie die Gesundheitskioske, aus dem Gesetz gestrichen wurden. Ziel müssen konkrete Verbesserungen in der Versorgung sein, statt an Projekten festzuhalten, die Parallelstrukturen fördern würden. Bei den aktuell verbliebenen ärztlichen Honorarregelungen gilt es, deren Effekte auf Kosten, Mengen und Nutzen genau zu beobachten. Eine Entbudgetierung weiterer Facharztgruppen würde sehr teure Fehlanreize setzen, die Beitragszahlende extrem belasten wird. Eine bessere Gesundheitsversorgung würde vor allem mit vernetzten Strukturen und einer effizienten Nutzung der Ressourcen erreicht. Manchmal ist weniger mehr.

Notfallreform: 

Es ist wichtig die Reform der Notfallversorgung endlich anzugehen. Das Notfallsystem muss die Patientinnen und Patienten in Notfällen zielgerichtet zu den geeigneten Hilfsangeboten lenken. Eine enge digitale Vernetzung zwischen den Telefonnummern 112 und 116 117, aber auch die geplanten neuen Integrierten Notfallzentren (INZ) können diese notwendige Steuerung bewirken. Genauso wie ein gemeinsamer Tresen der ambulanten und stationären Notfallhilfe in den INZ. Für eine gute Reform aus einem Guss wäre es hilfreich, die notwendige Reform des Rettungsdienstes direkt mit anzugehen. Schlussbemerkung: Jetzt kommt es auf eine konsequente Umsetzung der Notfallreform an. Davon hängt unter anderem auch das Einsparpotenzial der Reform ab, das ist im Entwurf (zu?) optimistisch mit einer Milliarde Euro beziffert.

Gesetz zur Stärkung der Herzgesundheit (GHG): 

Das Gesundes-Herz-Gesetz geht am Kernproblem vorbei. Den eigentlichen Präventionsgedanken, nämlich Ursachen und Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen strukturiert und nachhaltig anzugehen, sucht man im Gesetz bisher vergeblich. Etablierte Präventionsansätze wie Bewegung, gesunde Ernährung oder Angebote zur Stressreduktion bleiben außen vor. Stattdessen besteht das Herzgesetz aus einem Bündel an Einzelmaßnahmen, die jedoch zu spät ansetzen. Das Prinzip "Viel hilft viel" ist nicht unbedingt erfolgversprechend, wenn es um die vorhergesehenen Check-Up-Untersuchungen geht. Da Herz-Kreislauf-Erkrankungen primär durch den individuellen Lebensstil verursacht werden, wäre es wichtiger, genau hier anzusetzen, anstatt noch mehr auf Medikamente oder Gutscheine für Vorsorgeuntersuchungen zu setzen.

Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG): 

Damit digitale Anwendungen wie das E-Rezept und die elektronische Patientenakte wirklich in der praktischen Versorgung ankommen und diese verbessern, müssen sie verlässlich funktionieren und nutzerfreundlich (gestaltet) sein. Selbst die beste digitale Infrastruktur nützt nichts, wenn sie niemand bedienen kann und der analoge Weg der einfachere bleibt.

Dabei ist - im Sinne der Nutzerfreundlichkeit aber wichtig, dass die Rollen sinnvoll verteilt und klar abgegrenzt sind. Die neue Digitalagentur sollte nutzerfreundliche Standards definieren und die TI kontrollieren und sicherstellen, aber künftig nicht mehr - wie zuletzt beim E-Rezept - selbst digitale Anwendungen entwickeln, sondern dies dem Markt überlassen. Problematisch ist auch, dass die Kassen die Finanzierung der Agentur übernehmen, während der Bund entscheidet. Nur wer die Musik bezahlt, sollte bestimmen was gespielt wird.