Die harten Zeiten nach der Hochzeit
Artikel aus Berlin/Brandenburg
Von großer Liebe spricht schon lange niemand mehr. Mit knallenden Sektkorken in die gemeinsame Regierung gestartet, haben sich die Partner der Ampelkoalition schon vor dem vierten Hochzeitstag auseinandergelebt. Man schläft getrennt, die Ehe besteht nur noch auf dem Papier Szenen einer unglücklichen politischen Ehe - unsere Glosse.
Mit Regierungskoalitionen verhält es sich wie mit einer Ehe.
Zu Anfang scheint alles rosarot, man hält zusammen, genießt das Leben und gönnt dem anderen schmunzelnd auch die ein oder andere teure Spinnerei.
Doch sobald die erste große Verliebtheit hinter den Anforderungen des Alltags verschwindet, wird vielen von Tag zu Tag klarer, dass man im Grunde nie füreinander geschaffen war.
Hat das zarte Glück das erste Kind, anstrengende Familienfeiern und den gemeinsamen Urlaub vielleicht gerade noch überstanden, ist bei vielen spätestens beim Hauskredit und den damit verbundenen Finanzsorgen Schluss.
Dass Schulden fast jede Liebe töten - bestens zu besichtigen am Zustand der Ampel in Berlin: Mit viel Elan und schönen Hochzeitsfotos ins gemeinsame Leben gestartet, sind Umarmungen und öffentliche Turteleien längst bissigen Kommentaren in die Mikros gewichen. Die einst so fortschrittliche Ménage-a-trois befindet sich - spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts - mitten im ganz ordinären und altbekannten Scheidungskrieg, in dem es um Geld, Schuldzuweisungen und verletzte Gefühle geht.
Statt Loyalität: Jede gegen jeden
Überraschend ist die Ampel-Implosion nicht: Man musste nicht mal genau hinschauen, um die stetige Entfremdung zu sehen. Denn wie in jeder gescheiterten Ehe fing das Ende schon vor Monaten an:
Erst gehen einem altbekannte Gewohnheiten des anderen plötzlich furchtbar auf die Nerven. Das ständige Gerede vom Klima durch die Grünen - für die FDP so schlimm wie ein schnarchender Partner im Ehebett. In Folge fühlt sich der andere mit seinen Wünschen nicht mehr respektiert - das Nein der Liberalen zu Tempolimit und Heizungsgesetz nahm die Gegenseite durchaus persönlich.
Alle haben das Gefühl, in dieser Beziehung ihre Grundprinzipien zu verraten. Und wie in jeder schlechten Beziehung wird aus Loyalität schleichend ein Jede-gegen-Jeden.
Zunächst heimlich, dann ganz offen, wird über Partner oder Partnerin gelästert, die gemeinsame Zeit rückblickend schlecht gemacht. Man überlegt schon mal, wie teuer eine Scheidung käme und ob man mit einer Trennung wirklich etwas gewinnen oder gar noch mehr verlieren würde.
Man schielt insgeheim schon mal nach rechts und links und fragt sich, ob man mit dem oder der Ex vielleicht doch glücklicher geworden wäre - und ob ein Wiederaufleben der alten Zeiten tatsächlich die bessere Zukunft wäre. Alte Bekannte machen einem mit einem Mal wieder Avancen. Und dass diese Ehe nicht gutgehen würde, haben plötzlich alle immer schon gewusst.
Könnte eine Paartherapie beim Bundespräsidenten dabei helfen, die alte Leidenschaft der Ampelparteien füreinander neu zu entfachen? Oder verständigt man sich besser auf ein friedliches Nebeneinanderher, weil die politischen Kosten einer Scheidung hoch sind und am Ende bei einer Trennung alle mehr zu verlieren als zu gewinnen haben?
Es wäre nicht die erste Ehe, die in eine reine Zweck-WG mündet, bei der sich alle in ihre Zimmer zurückziehen und man allenfalls noch den Abwasch gemeinsam macht.