Angst macht einen nicht aussätzig
Nicholas Müller wirkt nicht wie jemand, den die Angst quälen könnte. Jahrelang stand er mit seiner Band Jupiter Jones ("Still") auf der Bühne - bis ihn Panikattacken zum Aufhören zwangen. Über seine Angststörung und die erfolgreiche Therapie hat er ein sehr persönliches Buch geschrieben und ist heute Schirmherr des Vereins "Deutsche Angstselbsthilfe".
Dein Buch "Ich bin dann mal eben wieder tot" wurde 2017 zum Spiegel-Bestseller. Warum hast du so offen über deinen Weg geschrieben?
Eine Angststörung zu haben, ist in unserer Leistungsgesellschaft ein Tabu, etwas, wofür Betroffene sich oft schämen. Dabei ist Angst total menschlich. Ich möchte das Thema zurück in die Normalität hieven und den Leuten sagen: Hey, ihr habt keine Fehler. Eure Angst macht euch nicht aussätzig, sondern ist euch einfach passiert.
Eine Angststörung zu haben, ist in unserer Leistungsgesellschaft ein Tabu, etwas, wofür Betroffene sich oft schämen.
Du selbst hast fast zehn Jahre mit heftigen Panikattacken gelebt, bevor du dir professionelle Hilfe geholt hast - warum so lange?
Ich war jung und noch nicht bereit für diesen "Erwachsenenquatsch" mit Vernunft und Einsehen. Es kostet zudem eine Menge Mut und Überwindung, für eine Therapie alles stehen und liegen zu lassen. Jupiter Jones aufzugeben war damals emotional und finanziell für uns alle eine Katastrophe und ich vermisse diese Zeit total. Aber nicht zuletzt meiner Tochter zuliebe musste sich schließlich etwas ändern. Ich wollte gesund werden, um sie zu lieben und zu erziehen.
2015 hast du dich in stationäre Therapie begeben - wie geht es dir heute?
Gut, allerdings habe ich zwei, drei Jahre gebraucht, bis ich gesagt habe: Ich glaube, ich bin gesund. Mein Rat an alle Betroffenen: Lasst euch helfen, aber seid geduldig mit euch selbst. Setzt euch nicht unter Druck, jetzt ganz schnell gesund werden zu müssen! Die Heilungschancen sind sehr gut, aber das braucht seine Zeit.
Wenn ich gar keine Angst mehr hätte, wäre ich ja noch kränker als vorher.
Du hast heute keine Angst mehr und kannst wieder als Musiker arbeiten?
Wenn ich gar keine Angst mehr hätte, wäre ich ja noch kränker als vorher. Aber ich würde sagen, ja, ich bin jetzt Herr über die Angst und nicht mehr umgekehrt. Und ich kann weiter in diesem geliebten Beruf arbeiten, den man seiner Oma nie erklären kann.